Vom Lehrling zum Meister
In einer belebten Werkstatt versammeln sich mehrere Auszubildende des ersten Lehrjahres um eine Original Sjöbergs 1900 Hobelbank und hören dem Meister Kaj Jakobsen aufmerksam zu. Er zeigt, wie man mit Hilfe einer Schieblehre eine perfekte Schwalbenschwanzverbindung herstellt. Andere Lehrlinge sorgen hämmernd und sägend für die passende Hintergrundkulisse.
Seit drei Jahren arbeitet Kaj Jakobsen als Lehrer in Capellagården – einer in Schweden renommierten Berufsschule für Handwerker*innen.
Der Weg bis zur Ausübung des Lehrerberufes war lang. Zum ersten Mal hörte Kaj von Carl Malmsten (dem Co-Gründer der Schule und im Norden sehr bekannten Möbeldesigner), in Büchern und Interviews mit James Krenov, einem ebenso bedeutenden Schreiner, der in den 1950er Jahren an der Malmsten-Schule ausgebildet worden war. Kaj wollte mehr wissen und bewarb sich seinerzeit um eine Lehrstelle in Capellagården.
Er war in Kanada groß geworden, hatte aber bereits 10 Jahre Erfahrung mit Holzverarbeitung im Bootsbau in der väterlichen Werkstatt gesammelt:
-„Mein Vater stammte aus Dänemark. Daher wurde mein Interesse an Skandinavien früh geweckt. Ich strebte eine traditionelle Ausbildung im Möbelhandwerk an und interessierte mich besonders für Stil und Design meiner skandinavischen Vorfahren. 2011 bewarb ich mich und erhielt einen Platz in einem 3-jährigen Kurs – dem gleichen, den ich jetzt unterrichte.“
Nach drei Jahren in Schweden hatte er nicht nur seinen Abschluss in der Tasche sondern war auch frisch verliebt. Während seiner Lehrzeit traf er Kerstin, die ebenfalls am Capellagården (im Bereich Gartenbau) ausgebildet wurde. Mit ihr ging er für einige Jahre zurück nach Kanada und arbeitete dort als Handwerks-Lehrer und Unternehmer für Küchenausstattungen und Möbel.
Die Familie zog 2018 zurück nach Schweden. Als eine Meister-Stelle in Capellagården frei wurde, bewarb er sich mit Erfolg. Dazu erwarb seine Familie einen renovierungsbedürftigen Hof aus dem 19. Jahrhundert auf Öland, einer schwedischen Ostseeinsel. Nach Vorgaben des Denkmal-schutzes arbeitet die Familie hier in traditioneller Handwerkstechnik nur mit umweltfreundlichen Baustoffen.
Kaj ist sehr dankbar für seine Tätigkeit in Capellagården, die ihm erlaubt, immer wieder Neues zu gestalten. Die meisten seiner Ideen hat er im Kopf, nur gelegentlich skizziert er seine Entwürfe. Die Inspiration findet er in der Natur, insbesondere auch wandernd in den Bergen. Sein Material ist Holz, aber wenn erforderlich, integriert er auch Metall und Textilien.
-„Ich finde überall Anregungen. Da ist nichts, wonach ich suchen muss. Darüber hinaus inspirieren mich die Auszubildenden in Capellagården mit ihren Projekten. Für mich spielt es kaum eine Rolle, aus welchem Material ein Gegenstand hergestellt wird. Ich mag keine Einschränkungen, sondern will in meiner Kreativität frei sein. Hier ist zum Beispiel eine Sense, die ich in einem kombinierten Metall- und Holzprojekt gemacht habe“, sagt Kaj, während er das formvollendete Ergebnis zeigt.
Kaj betont, wie sehr er die Vielzahl von Hand-Werkzeugen und die vielen unterschiedlichen Arbeits-Techniken genießt. Ein wichtiger Teil des Unterrichts besteht darin, die Funktion der Werkzeuge zu vermitteln, damit das gewünschte Ergebnis erzielt werden kann, erklärt Kaj weiter.
Soziale Medien sind für die Schüler von großer Wichtigkeit, sie sammeln und teilen Anregungen in verschiedenen Foren. Kaj sieht darin viele Vorteile, selbst geht er eher traditionell vor. Sobald ihm eine Idee kommt, dauert es nicht lange, bis es in seinen Fingern kitzelt!
-"Gerade im ersten Ausbildungsjahr verbringe ich viel Zeit mit den Auszubildenden und zeige ihnen die Bedeutung der grundlegenden Techniken”.
Kaj schließt mit den Worten, eine Hobelbank sei das wichtigste Werkzeug für die Lehrlinge während der Ausbildung. Am Anfang jedes neuen Schuljahres dürfen sie in hierarchischer Ordnung ihre künftige Werkbank aussuchen. Dies ist ein bedeutendes Ereignis, denn an diesem Arbeitsplatz wird während der Lehre die meiste Zeit verbracht. Diejenigen Auszubildenden, die am längsten dabei sind, treffen als erste ihre Auswahl. Die Anfänger müssen diese Vorauswahl abwarten und häufig stehen dann nur noch eher verschlissene Hobelbänke zur Verfügung. Kaj erinnert sich gut an diese Zeit und eben diese erste Werkbank, die ihm stark verbesserungsbedürftig erschien.
Während der gesamten Lehrzeit – immer in der Freizeit – renovierte und verbesserte er diese erste Hobelbank. Als dann sein letztes Lehrjahr begann und er wiederum als erster wählen durfte, blieb er genau bei dieser Hobelbank, mit der einst seine Lehre etwas holprig begann.
Mit anderen Worten, eine gute Hobelbank wird zu einem „zweiten Zuhause“, es ist viel mehr als ein Arbeitsplatz – man bleibt mit diesem Werkzeug für immer verbunden.